Große Arkana Tarot Karten

Der Gehängte – Umkehr und neuer Sichtweise

der gehängte tarot bedeutung: kopfüber hängende Figur an T-förmigem Galgen, Heiligenschein und überkreuzte Beine – Perspektivwechsel, Hingabe, Innehalten.
Der Gehängte (Große Arkana, Karte XII): Perspektivwechsel, Loslassen und die kraftvolle Ruhe der bewussten Pause.

Die Karte „Der Gehängte“ trägt im Rider-Waite-Tarot die Zahl XII. Die 12 gilt seit jeher als Zahl der Ordnung und Vollkommenheit: 12 Monate im Jahr, 12 Stunden am Tag, 12 Tierkreiszeichen, 12 Apostel, 12 Stämme Israels. Sie ist eine kosmische Zahl, leicht teilbar und von Harmonie geprägt. Dass sie im Tarot ausgerechnet den Gehängten markiert, scheint zunächst widersprüchlich – doch genau hier liegt der Schlüssel: Die Ordnung bleibt verborgen, solange wir an der gewohnten Perspektive festhalten. Erst durch die Umkehr – durch den Blick aus neuer Richtung – erschließt sich ihre Bedeutung.

Symbolsprache: Ein Mann hängt kopfüber an einem Baum, doch sein Gesichtsausdruck ist friedlich. Sein rechtes Bein ist am Ast befestigt, während das linke überkreuzt ist. Sein Körper bildet ein Dreieck, sein Kopf strahlt von einem Heiligenschein. Die Farbgebung ist hell, beinahe freundlich – der Gehängte wirkt nicht wie ein Opfer, sondern wie ein Meditierender in Umkehrung.

Sternenbach-Analyse – der Gehängte Bedeutung im Tarot

Bildbeschau

Der Baum, an dem der Gehängte hängt, erinnert an die Weltenesche Yggdrasil – ein mythisches Symbol des kosmischen Zusammenhangs. Das überkreuzte Bein formt mit dem Körper ein Dreieck, das auf eine verborgene Ordnung hinweist. Der Heiligenschein um den Kopf deutet auf Erkenntnis durch Umkehr. Seine Haltung ist gelassen, nicht verzweifelt – er „hängt“, aber er leidet nicht. Die 12 als Zahl der Vollkommenheit wird hier gebrochen: Der Gehängte zeigt, dass Ordnung nur sichtbar wird, wenn man bereit ist, die Perspektive radikal zu ändern.

Kontextualisierung

Im Tarot de Marseille ist „Le Pendu“ ebenfalls dargestellt, oft jedoch mit betonterer Ambivalenz: ein Sträfling, ein Narr, ein Opfer. Waite und Pamela Colman Smith interpretierten die Figur neu: weniger als Bestrafung, sondern als spirituelle Übung der Umkehr. Der Heiligenschein ist ihre wichtigste Ergänzung – er macht den Gehängten zum Mystiker. Im Thoth-Tarot Crowleys heißt die Karte „The Hanged Man“ und ist stark mit dem Motiv der Selbstopferung verbunden, angelehnt an Odin, der sich neun Tage an Yggdrasil hing, um Weisheit zu erlangen. Im historischen Tarot zeigt sich so die Entwicklung: vom bloßen Bild der Strafe zum Archetyp spiritueller Umkehr.

Schlüsselbegriffe

  • Stillstand & Erkenntnis: In der Ruhe offenbart sich Einsicht.
  • Opfer & Gewinn: Hingabe und Verzicht eröffnen neue Dimensionen.
  • Umkehr & Ordnung: Die 12 erinnert an kosmische Ordnung, die sich nur durch Perspektivwechsel zeigt.

Der Gehängte lädt ein, das vermeintlich Vergebliche neu zu deuten: Stillstand kann Durchbruch sein, wenn man ihn als Zeit der Umkehr begreift.

Praxis-Transfer

  1. Reflexionsfrage: Wo in deinem Leben erlebst du gerade Stillstand – und wie könnte eine bewusste Veränderung deiner Perspektive helfen, ihn in Einsicht zu verwandeln?
  2. Alltagsaufgabe: Nimm dir heute eine Situation, die dich frustriert. Schreibe sie auf – und formuliere anschließend drei alternative Blickwinkel, die denselben Umstand völlig anders deuten.

Zusammenfassung

Der Gehängte im Rider-Waite-Tarot ist die Karte der Umkehr, des neuen Blicks und der Hingabe. Seine Zahl 12 verbindet ihn mit kosmischer Ordnung und Vollkommenheit – doch diese erschließt sich erst, wenn man bereit ist, die Sichtweise zu verändern.

Als Karte ruft er dazu auf, Stillstand nicht als Scheitern zu verstehen, sondern als Einladung: Die Dinge von einer anderen Seite zu betrachten, um im scheinbar Verharrenden eine neue Ordnung zu erkennen.

Autor

  • Johannes von Sternenbach hat die „Sternenbach-Analyse“ entwickelt, mit der klassische Rider-Waite-Symbolik und praktische Alltagsimpulse verschmelzen. Mit seinem feinen Blick für Details, seiner fundierten Expertise und seinem Sinn für historische Hintergründe führt er durch jede Karte, zeigt zentrale Motivpaare auf und gibt praxisnahe Anregungen für den Alltag mit. Seine Beiträge bieten wertvolle Einblicke, um Tarot nachhaltig im täglichen Leben zu verankern.