Die Karte „Das Rad des Schicksals“ trägt im Rider-Waite-Tarot die Zahl X. Mit ihr vollendet sich die Zählung der einstelligen Zahlen – von 0 bis 9 – und zugleich beginnt ein neuer Abschnitt. Die Zahl 10 ist eine Übergangszahl: Sie steht für Vollendung und Neuanfang zugleich, für das Ende eines Zyklus und den Beginn des nächsten. In ihr verbinden sich 1 (Aktivität, Wille) und 0 (Potential, das Unendliche). Das Rad selbst ist Sinnbild dieses ewigen Werdens und Vergehens: Alles kehrt wieder, nichts bleibt unverändert.
Symbolsprache: Im Zentrum der Karte dreht sich ein goldenes Rad mit alchemistischen und kabbalistischen Symbolen. Darauf sind Wesen zu sehen: eine aufsteigende Figur mit Anubis-Zügen, eine absteigende Schlangenform und die Sphinx als Wächterin oben. In den Ecken der Karte sitzen vier geflügelte Wesen (Engel, Adler, Löwe, Stier), die je ein Buch lesen – Sinnbilder der Evangelisten, zugleich Symbole der vier Elemente und Tierkreiszeichen.
Sternenbach-Analyse – Das Rad des Schiksals – Bedeutung im Tarot
Bildbeschau
Das Rad selbst ist golden – Zeichen der göttlichen Ordnung. Darauf stehen die Buchstaben T-A-R-O, die sich zu „TAROT“ oder „ROTA“ („Rad“) fügen lassen. Zugleich sind kabbalistische Buchstaben (YHWH) eingefügt, die den göttlichen Namen andeuten. Die Sphinx mit Schwert thront unbeweglich oben – Symbol des ewigen Gesetzes. Anubis, der ägyptische Seelenführer, steigt auf, während die Schlange (oft Typhon) abwärts gleitet: Werden und Vergehen in Bewegung. Die vier geflügelten Wesen um das Rad herum erinnern an die kosmische Ordnung: Sie lesen in ihren Büchern, als hielten sie die Gesetze des Schicksals fest.
Kontextualisierung
Im Tarot de Marseille zeigt „La Roue de Fortune“ bereits ein Rad mit Figuren, die auf- und absteigen – ein Bild der Vergänglichkeit, das an mittelalterliche Fortuna-Darstellungen erinnert. Waite und Colman Smith erweiterten dies durch die Integration kabbalistischer und astrologischer Symbolik, wodurch das Rad mehr als bloß weltlicher Zufall erscheint: Es ist kosmische Ordnung. Im Thoth-Tarot Crowleys wird das Rad zum „Fortune“ – ein stärker alchemistisches Symbol, verbunden mit Jupiter als Planet des Wachstums und Wandels. Im historischen Tarot wird die Bedeutung so vertieft: Nicht nur Glück oder Pech, sondern das Gesetz der Zyklen selbst.
Schlüsselbegriffe
- Zyklus & Wandel: Alles bewegt sich, nichts bleibt ewig gleich.
- Schicksal & Freiheit: Wir sind Teil des Rades, doch wie wir reagieren, ist unsere Wahl.
- Ende & Anfang: Die 10 als Zahl der Vollendung, die zugleich ein Neuanfang ist.
Das Rad ist ambivalent: Es erinnert uns an die Unbeständigkeit, bietet aber auch Trost – kein Unglück bleibt für immer, kein Glück ist endgültig verloren.
Praxis-Transfer
- Reflexionsfrage: In welchem Bereich deines Lebens spürst du gerade den Wechsel eines Zyklus – etwas, das zu Ende geht und Raum für Neues schafft?
- Alltagsaufgabe: Beobachte in dieser Woche einen „kleinen Kreislauf“ (z. B. Tagesrhythmus, Arbeitsprozess, Naturbeobachtung). Schreibe auf, wie Wiederkehr und Veränderung zugleich wirken.
Zusammenfassung
Das Rad des Schicksals im Rider-Waite-Tarot ist die Karte des Zyklus und der ewigen Bewegung. Seine Zahl 10 zeigt: Ein Abschnitt ist abgeschlossen, ein neuer beginnt. Es gibt kein endgültiges Ende, sondern nur Wandlung.
Als Karte ruft sie dazu auf, das Auf und Ab des Lebens nicht als Bedrohung, sondern als Teil des kosmischen Rhythmus zu sehen. Das Rad erinnert: Wir sind Mitfahrer im großen Lauf, doch unsere Haltung bestimmt, ob wir die Fahrt als Chaos oder als Tanz erleben.
