Die Karte „Die Gerechtigkeit“ trägt im Rider-Waite-Tarot die Zahl XI. In der Tradition des Marseille-Tarots war sie noch die Karte VIII, während Waite die Reihenfolge mit der „Kraft“ vertauschte. Diese Veränderung ist mehr als numerisches Spiel: Sie betont, dass die 8 für Balance und innere Kraft steht, während die 11 als doppelte Eins auf Spiegelung, Bewusstsein und karmische Ausgleichung verweist. Die 11 gilt als „Meisterzahl“ – sie bringt Klarheit, Wahrheit und das Prinzip von Ursache und Wirkung zum Ausdruck.
Symbolsprache: Eine Frau sitzt auf einem Thron zwischen zwei Säulen, in der rechten Hand hält sie ein Schwert, in der linken eine Waage. Sie trägt eine rote Robe und eine Krone mit einem kleinen Quadrat – Symbol für Ordnung und Stabilität. Ihr Blick ist ernst und geradeaus gerichtet: Wahrheit duldet keine Ablenkung.
Sternenbach-Analyse – Die Gerechtigkeit, Bedeutung im Tarot
Bildbeschau
Die Waage in der linken Hand steht für Ausgleich, Gleichgewicht und die Abwägung von Gegensätzen. Das Schwert in der rechten Hand ist Symbol der Klarheit, der Entscheidung und des Urteilens. Beides zusammen zeigt: Wahre Gerechtigkeit vereint Herz und Verstand, Maß und Konsequenz. Die Säulen im Hintergrund erinnern an die Tempel-Symbolik der Hohepriesterin, doch hier treten sie nüchterner auf – es geht nicht um Geheimnis, sondern um klare Ordnung. Das Quadrat auf der Krone verweist auf Struktur und feste Prinzipien.
Kontextualisierung
Im Tarot de Marseille war die „Justice“ Karte VIII. Dort zeigte sie bereits Waage und Schwert – ein traditionelles Bild der Justitia. Waite entschied sich, diese Karte zur XI zu machen, um die symbolische Logik seiner Großen Arkana zu betonen: Kraft (VIII) als innere Balance, Gerechtigkeit (XI) als äußere Ordnung und karmisches Gesetz. Pamela Colman Smith behielt die klassische Darstellung weitgehend bei, verlieh ihr aber durch die Farbgebung und das klare, ernste Gesicht eine stärkere Autorität. Im Thoth-Tarot Crowleys heißt diese Karte „Adjustment“ (Anpassung) – hier wird betont, dass Gerechtigkeit nicht nur starres Gesetz ist, sondern dynamische Balance im Kosmos. Im historischen Tarot zeigt sich damit die Entwicklung von einer statischen Figur der Justiz hin zu einem tieferen Symbol des kosmischen Ausgleichs.
Schlüsselbegriffe
- Maß & Ausgleich: Alles wird abgewogen, um Harmonie herzustellen.
- Wahrheit & Konsequenz: Klarheit führt zu Entscheidung – und Entscheidung zu Verantwortung.
- Karma & Ordnung: Die 11 zeigt das Gesetz von Ursache und Wirkung, das alles Handeln begleitet.
Die Zahl 11 ist hier entscheidend: Sie zeigt die Spiegelung der Eins in sich selbst – Bewusstsein, das sich seiner bewusst wird. In der Gerechtigkeit bedeutet das: Wir erkennen uns in unseren Taten wieder und tragen ihre Folgen.
Praxis-Transfer
- Reflexionsfrage: In welchem Bereich deines Lebens bist du gerade aufgefordert, Verantwortung für die Folgen deiner Entscheidungen zu übernehmen?
- Alltagsaufgabe: Schreibe eine Situation auf, in der du das Gefühl hattest, ungerecht behandelt worden zu sein. Versuche anschließend, die Sicht der anderen Seite nüchtern zu formulieren – und prüfe, wie dein Bild sich verändert.
Zusammenfassung
Die Gerechtigkeit im Rider-Waite-Tarot ist mehr als Justizsymbolik: Sie ist das Bild kosmischen Ausgleichs und karmischer Ordnung. Ihre Zahl 11 verweist auf Spiegelung und Bewusstsein: Alles, was wir tun, kehrt zu uns zurück.
Als Karte erinnert sie daran, dass Freiheit ohne Verantwortung leer ist. Sie ruft uns auf, das eigene Handeln bewusst zu prüfen, Entscheidungen klar zu treffen – und die Konsequenzen anzunehmen.
