
Auf die Vier der Kelche – die stille Sättigung und das bewusste „Nein“ – folgt mit der Fünf der Kelche der Bruch im Element Wasser. Die Zahl 5 ist im Tarot Prüfzahl: Sie stört die Rahmung der Vier und konfrontiert mit Verlust, Reue und Enttäuschung. Im Wasserelement (Gefühl, Beziehung, Intuition) heißt das: Ein emotionales Gefüge geht zu Bruch, und der Blick verengt sich zunächst auf das Fehlende. Diese Tarot Symbolanalyse zeigt, wie aus Trauer eine Wendung möglich wird – ohne das Erlebte zu leugnen.
Sternenbach-Analyse
Bildbeschau
Eine in schwarzen Mantel gehüllte Gestalt steht vor drei umgestürzten Kelchen, deren Inhalt in den Boden gesickert ist. Zwei Kelche stehen hinter ihr noch aufrecht. Ein Fluss trennt den Vordergrund von einer Brücke und einem Bau (Haus/Burg) im Hintergrund.
- Schwarzer Mantel, gesenkter Kopf: Trauer und Rückzug. Die Figur wendet der Welt den Rücken zu – der Blick ist fixiert auf den Verlust.
- Drei gefallene Kelche: Das Nicht-mehr hat Gestalt bekommen: eine Beziehung, ein Vertrauen, ein Traum. Der Inhalt ist verloren; das Bild fordert an dieser Stelle Anerkennung statt Verdrängung.
- Zwei aufrechte Kelche dahinter: Ressource bleibt – Bindung, Hoffnung, Möglichkeit. Doch sie liegt außerhalb des momentanen Blickfelds.
- Fluss: Zeit und Gefühl fließen weiter. Wasser steht nie still; Trauer ist ein Prozess, nicht ein Zustand.
- Brücke & Haus/Burg: Übergang und Heimat sind erreichbar. Es gibt einen gangbaren Weg zurück ins Leben – aber erst, wenn der Blick sich wendet.
- Farbklima: Gedämpfte Töne; keine Dramatik durch Sturm – der Schmerz ist innerlich.
Die Szene erzählt eine psychologische Wahrheit: Erste Wahrnehmung in der Krise ist negativ selektiv. Die Karte zwingt nicht zum schnellen „Kopf hoch“, sondern zeigt die zwei verbliebenen Kelche als stilles Versprechen.
Kontextualisierung
Im historischen Tarot (Marseille) war die Fünf der Kelche eine Pip-Karte; erst Pamela Colman Smith (Smith–Waite, 1909) gestaltete die Trauerszene mit Brücke und Restkelchen – ein Meilenstein der Tarot Symbolanalyse. In der Golden-Dawn-Linie stehen Kelche = Wasser (Gefühl, Beziehung); die 5 stört diese Kontinuität: Trennung, Reue, Desillusion. Im Thoth-Deck trägt die Karte den Titel „Disappointment“ (Enttäuschung): Ein Hinweis, dass Täuschung dem Ende vorausging – Ent-täuschung klärt und tut doch weh. Das historische Tarot hält so zwei Ebenen: Trauern und weitergehen.
Schlüsselbegriffe
- Verlust & Anerkennung: Schmerz benennen – erst dann wandelt er sich.
- Reue & Einsicht: Enttäuschung enttarnt Illusionen; daraus wächst Reife.
- Wendung & Ressource: Zwei Kelche bleiben – Beziehung, Sinn, Chance. Der Weg zurück führt über die Brücke: Gewahrsein → Entscheidung → Schritt.
Praxis-Transfer
- Reflexionsfrage: Was genau ist in dieser Situation verloren – und was ist noch vorhanden (Personen, Fähigkeiten, Werte)? Benenne beides in jeweils drei Worten.
- Alltagsaufgabe – „Drei & Zwei“-Ritual (15–20 Min.):
- Drei: Schreibe drei Sätze über das, was vorbei ist. Lege sie unter ein Glas Wasser (symbolisch: Tränen dürfen fließen).
- Zwei: Schreibe zwei Sätze über das, was bleibt. Stelle daneben zwei aufrechte Gläser.
- Brücke: Notiere eine kleine, heute machbare Handlung, die das Verbliebene nährt (Anruf, Termin, Spaziergan). Geh den einen Schritt.
Zusammenfassung
Die Fünf der Kelche verkörpert die Prüfung der Gefühle: Der Blick klebt am Verlust, während Ressource schon bereitsteht. In der Sternenbach-Analyse lautet die Essenz: Trauere – und wende dich dann dem, was bleibt, zu. Die Brücke im Bild erinnert: Rückkehr ist möglich, nicht durch Verdrängen, sondern durch Anerkennung und gerichtete Aufmerksamkeit. So wird die Fünf zur Schwelle der Sechs – vom Mangelgefühl zur heilenden Bewegung.